Symposium „Diskriminierung und Kultur“

Katharina Dornenzweig: Eine kulturphilosophische Perspektive auf die Kriminalisierung von Stalking:

Das Erleben gestalkter Frauen im gesellschaftlichen Umbruch. Widerstand zwischen hermeneutischer Ungerechtigkeit, dissonantem Erleben, Narrativzwang, Paradigmenwechseln in der Rechtsprechung und ambivalenten Liebesdarstellungen in Popkultur

Wir erleben aktuell weltweit eine Kategorisierung, Pathologisierung und Kriminalisierung unterschiedlicher Handlungen als «Stalking». Gleichzeitig gibt es ein Aufkommen von Popkulturphänomenen wie «Twilight» und «50 Shades of Grey», die solche Handlungen romantisch idealisieren und als immer schon da gewesen konstruieren. In diesem Kampf um die Grenzziehung zwischen Liebeswerbung und Gewalt untersuche ich das Erleben von Frauen, die wir heute vermehrt als Stalkingopfer begreifen, und deren Geschichten lange nicht gehört wurden.

Auf Basis einer affekttheoretischen Lesart von Fricker & Medina unter Erweiterung durch Butler & Hacking untersuche ich in Opferberichten hier auftretende hermeneutische Ungerechtigkeit, die Artikulation von namenlosem Leiden dessen systematisches Verständnis blockiert wird, seine leibliche Manifestation und resultierende Störungen in Weltverhältnis und sozialer Interaktion. Ich zeichne nach, wie die Unfähigkeit, zu bestimmen, wann sie beobachtet werden bei Stalkingopfern wie in Foucaults Panoptikum zu Selbstdisziplinierung führt, und sie Teil eines Mechanismus werden, der sie aus dem öffentlichen Raum verbannt (vgl. Johansen/Tjørnhøj-Thomsen 2016). Ich beschreibe dissonantes Erleben, den Zwang, Leiden in kohärente Narrative zu formulieren die – folglich verstummende – Opfer nicht geben können, aber auch Resonanzeffekte zwischen Opfern und die Möglichkeit von Widerstand im Spiel von Verletzlichkeit und Affizierbarzeit einerseits, und Agency und Affizieren andererseits. Unter Rückgriff auf Grossberg untersuche ich ambivalente und unbeabsichtigte Effekte von Popkultur, die sich nicht in passive Zuhörer einschreibt, sondern akquiriert und transformiert wird, und in der Phänomene aufleuchten und erstmalig greifbar werden, wenn sie im Sterben begriffen sind.

Christina Clemm: Die Arbeit mit Opfern sexualisierter, rassistischer und homophober Gewalt

Die justizielle Bearbeitung, besonders die strafrechtliche Reaktion auf Stalking ist auch 2017 äußerst unbefriedigend. Dies liegt nicht nur an unzureichenden Gesetzen und Resourcen, sondern auch an mangelndem Wissen der Verfahrensbeteiligten. Dabei spielen sowohl tradierte Rollenbilder, bestehende Mythen bzgl. bestimmter Beziehungskonstrukten als auch Vorurteile gegenüber bestimmten Personengruppen eine erhebliche Rolle. Immer noch wird die Massivität der Beeinträchtigung für betroffene Personen verkannt oder negiert und häufig Betroffenen eine Mitschuld an dem Stalking gegeben, insbesondere dann, wenn sich die Personen vorher kannten.

Yilmaz Atmaca: HEROES – gegen Unterdrückung im Namen der Ehre. Ein Gleichberechtigungsprojekt von Strohhalm.

Training für junge Männer aus Ehrenkulturen…

In meiner Präsentation veranschauliche ich, wie Frauen und Männer in patriarchalen Strukturen –vor allem im Namen der Ehre- Rollenzuschreibungen erhalten. Auf welche Gefühle, bei welchem Geschlecht Wert gelegt wird und wie Männer und Frauen mit den abgelehnten Emotionen umgehen? Wie hoch ist die Angst –als Frau sowie als Mann- vor dem Scheitern in der eigenen Community? Anhand der jahrelangen Arbeit mit jungen Männern aus Ehrenkulturen und der eigenen Erfahrung werde ich versuchen, diese Perspektiven darzustellen.