Hauptsymposium „Täterarbeit“

Frank Winter, Bremen, Stalking-KIT: Beziehungsgestaltung mit und Begrenzung von Stalker*innen

Stalker*innen betrachten ihre Taten zumeist als legitime Bemühung, einen geliebten Menschen, der sie zurückgewiesen oder verlassen hat, zurückzuholen oder überhaupt erst zu erobern – sei es mit Drohung, Einschüchterung, Zwang oder Gewalt. Sie fühlen sich dazu berechtigt, weil sie überzeugt sind, ihre Liebe gebe ihnen das Recht der Verfügung über die Person. Diese Form der Liebe, die die Eigenständigkeit und das Recht auf Selbstbestimmung des Anderen nicht anerkennt, beruht auf einer in der inneren Welt der Stalker*innen schlummernden Überzeugung, mit dem geliebten Menschen eine unauflösbare fusionäre Einheit zu bilden oder bilden zu können. Solche Seelenfusion gleicht der Kernfusion: sie kann Segen und Beglückung bringen oder extreme Destruktivität entfalten. Die Beziehungsgestaltung mit Stalker*innen im offenen Beratungssetting birgt entsprechend viele Fallstricke und ist geprägt von Spaltungen, Attacken auf die Beziehung und Enttäuschungen.

Roland Hertel, Landau: Modell einer staatlichen Intervention in Fällen von Ex-Partnerstalking

Der Vortrag zeigt die praktische Arbeit in Fällen von Ex-Partnerstalking bei der Staatsanwaltschaft Landau/Pfalz auf. Es geht zudem um die notwendige Vernetzung im Rahmen der Intervention verschiedener Hilfsangebote für Betroffene und den stalkenden Personen.

Wolf Ortiz-Müller, Jochen Gladow, Stop-Stalking: Integrierte Täter-Opfer-Beratung – Nutzen und Tücken

Der Beitrag beschreibt die Besonderheiten der Beratung, wenn eine Perspektivenverschränkung möglich wird. Was erlebt und berichtet die stalkingbetroffene Person, was erlebt und berichtet der Mensch, der stalkt? Erleben und berichten meint, dass aus dem konträren Erleben auf der emotionalen Ebene ganz gegensätzliche Darstellungen erfolgen können. Manche Stalker*innen bagatellisieren ihr Handeln, andere sind emotional in einer Kränkung verstrickt, aus der sie das Leiden nicht sehen können, das sie den Betroffenen zufügen. Die Betroffenen ihrerseits erleben Angst und Verunsicherung, die eine Rückwirkung auf ihre Realitätssicht haben. Manche laufen Gefahr, die von der stalkenden Person ausgehende Bedrohung zu verharmlosen; andere aber übersteigern die reale Gefährdung.

An einem Fallbeispiel geht der Beitrag folgenden Fragen nach:

  • Was macht es mit der Beraterin und dem Berater, wenn sie  beide Seiten („Täter*in und Opfer“) in getrennten Gesprächen sehen?
  • Wie können Stalkingverläufe einem rascheren Ende zugeführt werden, wenn auf der Grundlage einer Schweigepflichtsentbindung selektiv Informationen ausgetauscht werden können?
  • Wie nützlich sind „Schutzerklärungen“, die den Menschen, der stalkt, zu einem sofortigen Aufhören verpflichten?
  • Wie arbeiten wir mit den Ambivalenzen, die häufig auf beiden Seiten anzutreffen sind?
  • Wo sind die Grenzen dieses Beratungssettings und wo lauern Tücken, die ein solches Vorgehen verunmöglichen?

Johannes Lenk (Mannheim): Stop-Stalking Süd – Erste Praxiserfahrungen einer systemischen Beratung für Menschen, die stalken

Sanktionen wie der § 238 StGB oder Maßnahmen nach dem GewSchG sind wichtig, um Betroffene von Stalking zu unterstützen. Nachhaltiger Opferschutz kann zudem in manchen Fällen durch einen konfrontativ ressourcenorientierten Zugang zur Täterseite gefördert werden. Menschen, die stalken, können von psychosozialer Beratung profitieren, wenn diese es ihnen ermöglicht, eigene Verhaltensweisen und Beziehungsmuster zu reflektieren, persönliche Motive und Bedürfnisse zu klären und Lösungsstrategien für ein Leben OHNE Stalking zu entwickeln.

Nach einer zweijährigen Aufbauphase kann der Stop-Stalking Süd e.V. sein an systemischen Überlegungen orientiertes Konzept seit August 2016 als Pilotprojekt im Bezirksverein für soziale Rechtspflege Mannheim in kleinem Umfang praktisch umsetzen. Johannes Lenk wird über den konzeptionellen Hintergrund, die Implementierung des Projekts in der   psychosozialen Versorgungslandschaft im Rhein-Neckar-Kreis, erste Beratungsprozesse und die aktuell geplante wissenschaftliche Begleitung durch die SRH Hochschule Heidelberg berichten.